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Sie sind hier: Homepage → Treffen → jusla-14 XIV. JungslavistInnen-Treffen 2005 in StuttgartLinguistische Beiträge zur Slavistik. XIV. JungslavistInnen-Treffen Stuttgart 2005. Hg. Ljudmila Geist und Grit Mehlhorn. München: Sagner 2008 (= Specimina Philologiae Slavicae 150). 219 Seiten. ISBN: 3-86688-023-5. Tagungsbericht von Ljudmila Geist und Grit MehlhornVom 15. bis 18. September 2005 fand am Institut für Linguistik/Germanistik der Universität Stuttgart das XIV. JungslavistInnentreffen statt, an dem zwölf Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ihre Forschungsprojekte aus den verschiedensten Bereichen der slawischen Linguistik vorstellten. Die Vorträge behandelten so verschiedene Aspekte wie Aspektologie, Semantik, Morphosyntax und Verbalmorphologie, aber auch Sprachbewusstheit und historiographische Fragestellungen. Ursula Doleschal (Klagenfurt) ist in ihrem Vortrag der Frage nachgegangen, ab wann die Flexionsklasse kuli bzw. mufty/Linde, die ausschließlich belebte Maskulina enthält und eine Grundform auf vorderen Vokal (i, í, y, ý, e, é) aufweist, in den westslawischen Sprachen belegt ist. Diese Flexionsklasse stellt eine Ausweitung der Flektierbarkeit dar und steht damit im Gegensatz zur allgemein beobachteten »Tendenz zum Analytismus«. Der Beitrag von Beatrix Kreß (Frankfurt a. M.) »Partikeln im Konflikt« beschäftigte sich mit den Partikeln im Tschechischen (copak, snad, přece, vždyť, prostě) und im Russischen (razve, neuželi, ved’, prosto). Anhand von Gesprächsausschnitten konnte sie die zusätzliche konfliktspezifische Funktion dieser Partikeln auf der Sprechhandlungsebene zeigen. Karin Tafel (Bochum) demonstrierte in ihrem Vortrag »Wer hat Amerika entdeckt? – Einige Anmerkungen zum Werdegang des Phonems in russischen Linguistik-Lehrbüchern«, dass terminologische Erstverwendungen der Historiografie als bequeme, aber nicht immer verlässliche Ordnungshilfen dienen. 1873 in Umlauf gebracht, erweist sich die mehrfach neu gefüllte Worthülle »Phonem« bis heute eher als Schlüsselwort denn als Terminus. Dass sie dennoch wissenschaftskonstitutiv war und ist, zeigt u. a. die Chronologie russischer und nicht-russischer Einführungsliteratur. In seinem Beitrag zur »Semiotik der Schriften. Von der Glagolica zur Akuninica« fragte Holger Kuße (Dresden) nach Bedeutungen in der visuellen Materialität von Sprache, d. h. der semantisch-funktionalen und graphisch-figuralen Ausdrucksfähigkeit von Schrift. Nach grundsätzlichen Überlegungen zu »Schrift und Sprache« wurden drei Typen von »Schriftbedeutungen«, die »Ideo- und Mythographie« in Alphabeten, Alphabetgedichten und der Abecedarien, sekundäre »ideologische Markierungen« von Standardschriften, Orthographien usw. und »konventionelle und ikonische Bedeutungen« typographischer und skriptographischer Zeichenformen an Beispielen aus der slawischen Schriftgeschichte demonstriert: insbesondere am glagolitischen Alphabet, an der Geschichte der Kyrillica sowie dem Einsatz von Schrift (Latinica und stilisierte Unizial-Formen der Kyrillica) in der Werbetypographie. Mit dem Kunstwort »Akuninica« wurde der spielerische Umgang mit archaisierender Typographie auf der Website des Krimiautors Boris Akunin bezeichnet: als Beispiel einer Schrift (Kyrillica), die sowohl auf etwas anderes verweist als auch auf sich selbst. Edgar Hoffmann (Wien) verglich in seinem Vortrag »Motivationen für das Erlernen slawischer Fremdsprachen im Wandel der Zeiten« – ausgehend von der unbefriedigenden Situation des Unterrichts und des Studiums slawischer Fremdsprachen – Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Motivationen zur Beschäftigung mit diesen Sprachen in Vergangenheit und Gegenwart. Die traditionellen Beziehungen der Ungleichheit zwischen »West« und »Ost« wirken dabei in modifizierter Form auch heute noch. E. Hoffmann stellte ein »Argumenteportfolio« auf, das die unterschiedlichsten Motivationen für das Erlernen slawischer Fremdsprachen für alle Beteiligten zusammenfasst. Dieses ist eine Voraussetzung für die Umwandlung verbaler Bekenntnisse zur Bedeutung slawischer Fremdsprachenkenntnisse in reale institutionelle Beschäftigung mit slawischen Fremdsprachen und zugleich eine Möglichkeit, den Anteil von Studierenden der Slawistik mit Deutsch-L1 zu erhöhen. Grit Mehlhorn (Stuttgart) stellte in ihrem Beitrag »Empirische Untersuchungen zur Sprachbewusstheit beim Fremdsprachenerwerb« ihr Konzept der individuellen Aussprache-Lernberatung vor und zeigte, dass “Language Awareness” von Fremdsprachenlernenden durch eine solche Beratung erhöht werden kann und dieser Beratungskontext gleichzeitig die Möglichkeit bietet. Veränderungen von Sprachbewusstheit und -lernbewusstheit individueller Lernender detailliert zu untersuchen. Didaktische Implikationen für den Fremdsprachenunterricht ergeben sich in Bezug auf die verschiedenen Möglichkeiten der Bewusstmachung und die Übertragbarkeit von Aussprachebewusstheit und Lernstrategien auf weitere slawische Sprachen – ein Aspekt, der im Rahmen der Mehrsprachigkeitsdidaktik bisher kaum berücksichtigt wurde. Tanja Anstatt (Tübingen) plädierte in ihrem Vortrag »Der Vokativ in der Slawia – eine schwindende Kategorie?« dafür, den slawischen Vokativ nicht als Kasus zu verstehen, sondern vielmehr als nichtobligatorischen Marker von Nähe und Distanz. Diese Perspektive wird der Verwendung des Vokativs nicht nur weitaus besser gerecht, sondern sie macht auch deutlich, dass der slawische Vokativ vitaler ist als sein Ruf; weiterhin lassen sich mit ihr auch die zweifellos vorhandenen Schwundtendenzen erklären. Luka Szucsich (Berlin) untersuchte in seinem Beitrag »Die (Ohn)Macht zur Veränderung: (Morpho-)Syntaktische Eigenschaften von Präfixen in slawischen Sprachen« verschiedene Typen von Präfigierungen und ihren Einfluss auf die Argumentstruktur im Zusammenhang mit allgemeinen Überlegungen zur syntaktischen Derivation der thematischen Domäne des Verbs. Dabei stellte er Überlegungen dazu an, welche Präfigierungen verändernde Wirkung auf die Derivation haben und wie diese Manipulation der Argumentstruktur syntaktisch modelliert werden kann. Der Beitrag von Andreas Späth »Lokalisierung von Situationen unter Satznegation im Russischen« widmet sich der Kasusalternation am internen Argument unter Satznegation im Russischen. Er konnte zeigen, dass die Optionalität des Kasuswechsels nicht informationsstrukturellen Gründen unterliegt, sondern der spatiotemporalen Einbettung von Objekten in Sachverhalte. Ausgehend von der Frage nach der Interpretation von Tempus als definit/indefinit führte der Vortrag von Barbara Sonnenhauser (München) »Temporale Definitheit und Spezifizität – Aorist/Imperfekt und pf/ipf im Bulgarischen« Definitheit und Spezifizität im aspekto-temporalen Bereich auf Eigenschaften des assertierten Zeitintervalls zurück. Dies zeigte sie anhand des Bulgarischen, das mit pf/ipf Aspekt und Aorist/Imperfekt overte Formen zur Modifikation dieses Intervalls aufweist. Im Vortrag »Die semantische Kategorie aktionale Dauer. Probleme ihrer Beschreibung und Erforschung im Russischen« von Natalia Brüggemann (Hamburg) ging es zunächst um eine Beschreibung der semantischen Kategorie »aktionale« Dauer auf der lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Ebene. Dann wurde auf Probleme eingegangen, die sich der Erforschung der Dauer mit Blick auf die Kontroverse zwischen lexikalischer Semantik und Satzsemantik stellen. In ihrem Beitrag »Altemationen in Kopulasätzen: Suche nach dem ›tertium comparationis‹« ging Ljudmila Geist (Stuttgart) der Frage der semantischen Motivation für die Kasuswahl Nominativ vs. Instrumental in Kopulasätzen mit Prädikatsnomina im Russischen nach. Die Wahl des Instrumentals im Gegensatz zum Nominativ löst verschiedene interpretative Effekte aus. Die mit dem Instrumental einhergehenden Interpretationen wurden im Beitrag auf einen gemeinsamen Nenner gebracht: Der Instrumental induziert die Bindung der durch das Prädikatsnomen bezeichneten Eigenschaft an eine spezifische Diskurssituation, während der Nominativ keine derartige Gebundenheit induziert. Der Bezug auf eine spezifische Diskurssituation kann als tertium comparationis für den Vergleich mit dem Spanischen dienen, das durch die Wahl der Kopula estar statt ser denselben Unterschied wie die Kasuswahl am Prädikatsnomen im Russischen signalisiert. Wie in den vergangenen Jahren sollen auch die während des XIV. JungslavistInnentreffens gehaltenen Vorträge wieder in einem Sammelband veröffentlicht werden. Tagungsberichte zum XI. und XII. Treffen finden sich in ZfSl 49 (2004) 1, S. 103–106 und ZfSl 49 (2004) 4, S. 352–353. Die Inhaltsverzeichnisse der bisher erschienenen Bände können unter http://mlucom6.urz.uni-halle.de/~a0apv/jusla/baende.html eingesehen werden. Das nächste Treffen wird voraussichtlich Ende September 2006 an der Ruhr-Universität in Bochum stattfinden. Ljudmila Geist, Grit Mehlhorn: XIV. Treffen der Jungslavistinnen und Jungslavisten in Stuttgart. In: Zeitschrift für Slawistik 51 (2006) 1, 102–104. |