Personen | Treffen/Publikationen | Fotografien | Intern | |
|
||||
Sie sind hier: Homepage → Treffen → jusla-15 XV. JungslavistInnen-Treffen 2006 in BochumTagungsbericht von Karin TafelVom 27. bis 30. September 2006 fand am Seminar für Slavistik/Lotman-Institut der Ruhr-Universität Bochum das XV. JungslavistInnentreffen statt. Obwohl die einzelnen Vorträge sehr unterschiedliche Themen behandelten, ließen sich doch die Bereiche Syntax und formale Sprachbeschreibung, Spracherwerb sowie Lexikalische Semantik bzw. Semiotik als größere thematische Blöcke ausmachen. Mit dem Zusammenhang von »Kasus und Spezifizität im Russischen« setzte sich Ljudmila Geist (Stuttgart) auseinander: Direkte Objekte können im Russischen unter Satznegation alternativ im Genitiv stehen. Im Allgemeinen wird angenommen, dass der Genitiv die Nicht-Existenz eines Objekts an einem Ort ausdrückt. Der Genitiv der Negation gilt dabei als sprachspezifisches, nicht universelles Phänomen, Es konnte jedoch gezeigt werden, dass dieses Phänomen auf ein wohl bekanntes Phänomen der Spezifizität zurückgeführt werden kann, wobei unter Spezifizität relative referenzielle Verankerung der Referenten im Satz verstanden wird. Im Beitrag »Projektion aus dem Lexikon: Zum Verhältnis von Argumentstruktur und VP-Syntax am Beispiel von ditransitiven Verben« diskutierten Uwe Junghanns und Denisa Lenertová (Leipzig) Unterschiede bei der Argumentrealisierung von ›geben‹-Verben im Russischen/Tschechischen vs. Bulgarischen. Sie argumentierten dagegen, Alternation im Slavischen anzunehmen, und schlugen vor, den Lexikoneintrag im Bulgarischen durch die Anwendung eines semantischen Templates anzupassen. Ditransitive Verben – ein Problemfall im Bulgarischen?
Valja Werkmanns (Leipzig) Vortrag »Russische Personalpronomina in ditransitiven Konstruktionen« beschrieb das syntaktische Verhalten der russischen Personalpronomina hinsichtlich des Verbs und der Adverbiale. Werkmann vertrat die Ansicht, dass die strukturellen Positionen der Pronomina durch informationsstrukturelle und prosodische Faktoren determiniert sind. Zu Syntax und Informationsstruktur der russischen Personalpronomina: Ein Vergleich mit den deutschen Pronomina.
Luka Szucsich (Berlin) diskutierte in seinem Beitrag »Evidenz für syntaktische Nullen aus dem Burgenlandkroatischen, Polnischen, Russischen und Slovenischen: Merkmalsausstattung, Merkmalshierarchien und morphologische Defaults« unterschiedliche impersonale Konstruktionen (v. a. adversative und reflexive impersonale Sätze) in slavischen Sprachen. Dabei wurde die Frage von möglichen Kasusmarkierungen (akkusativische Objekte, dativische Quasi-Subjekte) behandelt und mit syntaktischen Relationen wie Bindung anaphorischer Elemente bzw. Kontrolle in Nebensätzen in Verbindung gesetzt. Evidenz für syntaktische Nullen aus dem Burgenlandkroatischen, Polnischen, Russischen und Slovenischen: Merkmalsausstattung, Merkmalshierarchien und morphologische Defaults.
Thema des Vortrags »›Instrumentalphrasen‹ in der Ereignisstruktur polnischer Verben« von Jan Fellerer (Oxford) waren vier semantische Typen polnischer Verben, die eine »Instrumentalphrase« implizieren: i.) Verben der Zustandsveränderung (z. B. łamać coś czymś – ‘etw, mit etw. brechen’), ii.) Verben, die einen meist gewaltsamen Kontakt mit einer Oberfläche bezeichnen (z. B. bić w coś/kogoś czymś – ‘auf etw. / jdn. mit etw. schlagen’), iii.) Verben des »vollen Ausmaßes« (z. B. wypełniać coś czymś – ‘etw. mit etw. füllen’) und iv.) Verben, die das In-Bewegung-Setzen eines Gegenstandes ausdrücken (z. B. rzucić czymś – ‘etw. werfen’). Ziel der Analyse war es zu zeigen, dass die »Instrumentalphrase« der ersten beiden Typen ein reines Adjunkt ist, da sie nicht zu der lexikalisch projizierten Ereignisstruktur des Verbs gehört. Die der Typen iii.) und iv,) erweist sich dagegen als integraler Bestandteil des Ereignisses. Hier ist die »Instrumentalphrase« das dem Ereignis zugrunde liegende, jedoch syntaktisch dislozierte Thema. Instrumentalphrasen in der Ereignisstruktur polnischer Verben.
In ihrem Beitrag »›Ekomobil není ekologický telefon‹ – Neue tschechische Komposita als Gegenstand und Träger von Bewertungen« untersuchte Claudia Richter (Dresden) wertende Aussagen über Komposita in ausgewählten Epochen der tschechischen Sprachgeschichte sowie das Bewertungspotenzial besonders produktiver Komposita in Hinblick auf einen Zusammenhang zwischen ihrer Produktivität und ihrer Bewertung durch Linguisten und Laien. »Ekomobil není ekologický telefon« – Neue tschechische Komposita als Gegenstand von Bewertungen.
»›Врешь!‹ – Die Maxime der Qualität von Grice im Konflikt« lautete der Titel des Vortrags von Beatrix Kreß (Frankfurt am Main). Das von Grice entwickelte Kooperationsprinzip und die zugeordneten Konversationsmaximen erweisen sich bei näherer Betrachtung als Maßgaben wertrationalen Handelns, die im Konfliktfall selbst Grundlage der Verhandlung sind, aber auch im Rahmen manipulativer Strategien missbraucht werden können. Anhand von Belegen aus russischen und tschechischen literarischen Werken wurden Formen der Aushandlung, insbesondere der Glaubwürdigkeit, also der Maxime der Qualität, und deren Missbrauch demonstriert. Врешь! – Status und Funktion der Grice’schen Qualitätsmaxime im Konfliktgespräch.
Grit Mehlhorn (Berlin) befasste sich mit »Überlegungen zu einer Mehrsprachigkeitsdidaktik der slavischen Sprachen aus phonetischer Sicht«. Lernende, die neben ihrer Muttersprache (L1) bereits eine Fremdsprache (L2) gelernt haben, verfügen über ein größeres Repertoire an phonetisch-phonologischen Parametern, metalinguistischem Wissen und Aussprache-Lernstrategien, was ihnen das Erlernen weiterer Fremdsprachen erleichtern kann. Am Beispiel der slavischen Sprachen werden Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten im phonetischen Bereich aufgezeigt, deren Bewusstmachung Lernende für einen positiven Transfer nutzen können. Natalia Gagarina (Berlin) untersuchte die Entstehung und Entwicklung der satzübergreifenden pronominalen Referenz im Russischen und im Deutschen. Anhand von Langzeitdaten von fünf Kindern zeigte sie in ihrem Vortrag »Pronominale Referenz im Russischen und im Deutschen; Evidenz vom mono- und bilingualen Spracherwerb«, dass ein Konglomerat aus universellen (z. B. deiktische und reflexive, selbst-referierende Funktionen von Pronomina) und sprachspezifischen Faktoren (z. B. pro-drop-Eigenschaft) beim Erwerb syntaktischen, semantischen und pragmatischen Wissens zur Herstellung pronominaler Referenz eine entscheidende Rolle spielt. Anaphoric pronominal reference in Russian and German narratives: bilingual and monolingual settings.
Elena Dieser (Tübingen) hielt einen Vortrag mit dem Titel »Die Entwicklung der Personaldeixis im bilingualen deutsch-russischen Erstspracherwerb« und zeigte, dass einige bilinguale Kinder die Personaldeixis in einer ihrer beiden Sprachen (bei hier besprochenen Fällen in der Nicht-Umgebungssprache) mit einer langen Verzögerung erwerben. »Lexical Bootstrapping« Hypothese und bilingualer Erstspracherwerb
Der Vortrag von Tanja Anstatt (Tübingen) »Wer dunkel hört, muss nicht hell sagen: Wortassoziationen im Vergleich verschiedener Sprachen« beschäftigte sich mit dem Status des Kontrastes in Assoziationstests. Es wurde gezeigt, dass bei Sprechern des Russischen und Polnischen syntagmatische Assoziationen (z. B. temnyj > les) die häufigsten sind und der Kontrastassoziation (z. B. temnyj > svetlyj) eine weit weniger wichtige Stellung zukommt als bei Sprechern des Englischen und Deutschen. Marion Krause (Wien) stellte unter dem Titel »Wörter – Begriffe – Konzepte: Überlegungen am Beispiel des Schlüsselkonzepts LEISTUNG« ein Modell vor, das Konzepte in Diskursen verankert und daher von ihrer möglichen Repräsentation in Wörtern und Begriffen trennt. Dieses Modell diente als methodologische Grundlage empirischer Erhebungen über die Präsenz und semantische Anreicherung des Konzepts Leistung in verschiedenen Sprachen und Subkulturen. Im Vortrag wurden die Ergebnisse eines Experimentes mit österreichischen und russischen Studierenden der Wirtschaftswissenschaften vorgestellt. Es diente der Bestimmung von Assoziationsstärken zwischen den Targetlexemen dt. Leistung bzw. russ. dostiženie, die zumindest als partielle lexikalische Äquivalente bestimmt worden waren, und einem Set von 80 Stimuliwörtern. Die Ergebnisse machen eine Reihe wesentlicher Unterschiede zwischen den semantischen Anreicherungen und deren Homogenität in den erfassten ProbandInnengruppen sichtbar und verdeutlichen den diagnostischen Wert der experimentellen Methode. Mit dem Thema »Subjektivität – Vorüberlegungen zu ihrer Rekonstruktion aus der Sprache« beschäftigte sich Barbara Sonnenhauser (München). Zu Inhalt und sprachlichem Ausdruck von ‘Subjektivität’ ist eine Vielzahl an Auffassungen zu finden. Eine Konzeption von Subjektivität im Rahmen der Peirceschen Semiotik könnte es ermöglichen, die verschiedenen Manifestationen auf ein zugrunde liegendes Phänomen zurückzuführen und mit einer einheitlichen Beschreibungssprache zu analysieren. Unter dem Titel »Phantastische Objekte« stellte Holger Kuße (Dresden) »Stanisław Lems Beitrag zur Semantik« dar. Als Empiriker vertrat Lem eine extensionale Semantik, für die die Unterscheidung von Designaten mit und Designaten ohne empirische Extension grundlegend ist. Zu letzteren gehören »phantastische Objekte« wie »fliegende Schnecken«, »Zwerge«, »Computer, die hypnotisieren« usw. Ausgehend von der Lettischen Klassifikation des Phantastischen wurde die Frage nach der Möglichkeit und Zweckhaftigkeit der Bildung empirisch nicht extensionaler Ausdrücke gestellt. Da Lem in Texten (beliebiger Länge) Definitionen solcher Ausdrücke sah und Texte semantisch situationsabhängige Größen sind, lässt sich seine Semantik als »partieller Kontextualismus« bezeichnen. Unter dieser Voraussetzung stellte für Lem der literarische Umgang mit »phantastischen Objekten« eine Erprobung menschlicher Kommunikationsmöglichkeiten durch Sprache dar. Phantastische Objekte. Stanisław Lems Beitrag zur Semantik.
Angesichts der zunehmenden Erweiterung des (text-)linguistischen Objektbereichs fragte Karin Tafel (Bochum) in ihrem Vortrag »Texte und Bilder in der Textlinguistik« nach den begrifflichen und methodischen Folgen, die die so genannte »visuelle Wende«, die Berücksichtigung gleich mehrerer verschiedener Zeichensysteme, die Arbeit mit bisher wenig beachteten Trägermedien und schlussendlich die Annahme eines multimodalen Textbegriffs mit sich bringen. Zeitschrift für Slawistik 52 (2007) 1, 97–99 |