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Sie sind hier: Homepage → Treffen → jusla-18 XVIII. JungslavistInnen-Treffen 2009 in RegensburgTagungsbericht von Roland MeyerAm 17.–19.10.2009 fand in Regensburg das 18. JungslavistInnen-Treffen statt. Es wurden 15 Arbeiten aus der slavistischen Linguistik präsentiert, die thematisch von der Textlinguistik über Syntax und Semantik bis hin zu Korpuslinguistik und Spracherwerb reichten. Sabine Borovanská (Frankfurt) zeigte in ihrem Beitrag »Zur Struktur der Rechtfertigung (dargestellt an russischen literarischen Beispielen)«, wie Sprecher mit einer Rechtfertigung die Richtigkeit einer Handlung bzw. ihre positive Bewertung herausstellen. Bei der argumentativen Struktur sei die Stützung auf eine höhere Norm zentral. Verschiedene Typen der Rechtfertigung wurden hinsichtlich eines möglichen gemeinsamen Nenners untersucht. Zur Struktur der Rechtfertigung (dargestellt an russischen und tschechischen literarischen Beispielen).
Daniel Bunčić (Tübingen) stellte eine Methode vor, wie man auf DVDs enthaltene
Untertitelspuren für Parallelkorpora nutzbar machen kann, und erläuterte, inwiefern es
sich bei den so erhaltenen Daten um ›mündliche‹ Texte handele. Zwar seien sie weniger
informativ als etwa Transkriptionen mündlicher Gespräche, aber zur unaufwändigen
Ausbalancierung eines schriftlichen Parallelkorpus dennoch erstaunlich gut geeignet.
Film-Untertitel als Quelle eines quasi-mündlichen Parallelkorpus?
Natalia Gagarina (Berlin) präsentierte das Testverfahren »Sprachstand Russisch« für bilinguale deutsch-russische Migrantenkinder im Alter von 4 bis 6 Jahren. Der Test wird für das Screening durch Logopäden und Sprachförderkräfte in Berlin verwendet und soll einen Überblick über Sprachvermögen und Einschränkungen sowie Hinweise auf Sprachentwicklungsstörungen liefern (Mitarbeit: Annegret Klassert und Nathalie Topaj). Ljudmila Geist (Stuttgart) ging in »Hat das Russische einen indefiniten Artikel?« der Frage nach, ob die phonetisch reduzierte unbetonte Form des Zahlwortes odin im Russischen als indefiniter Artikel anzusehen ist. Anhand einer Korpusstudie zu verschiedenen Funktionen des Referenzmarkers kam sie zu dem Schluss, dass odin die Grammatikalisierungsstufe für einen indefiniten Artikel noch nicht erreicht hat, jedoch als Artikel zur Anzeige von Spezifizität angesehen werden kann. Der Beitrag von Christof Heinz (Wien) beleuchtete das Phänomen der Kasussynkretismen im Tschechischen aus dem Blickwinkel des Erwerbs slavischer Fremdsprachen. Untersucht wurde zum einen, ob Kasussynkretismen zur Reduktion der Komplexität der Nominalflexion und damit des zu erlernenden Stoffumfanges dienen. Zweitens wurde diskutiert, inwiefern sie beim Zweit- oder Drittspracherwerb Gegenstand von Transferprozessen sein können, und zu welcher Art von Ergebnissen letztere dann in der Zielsprache führen. In ihrem Beitrag »Fremd- und Selbststilisierung im tschechischen (anti-)ökologischen Diskurs« analysierte Beatrix Kreß (Hildesheim) den Einfluss von Argumentationen und Stilisierungen seitens Václav Klaus auf den tschechischen ökologischen Diskurs. Am Beispiel von sprachstilistischen und gestalterischen Mitteln auf Webseiten zur Windkraftdebatte verdeutlichte sie die Topoi der Debatte – von Klausschen Inszenierungsmustern über solche des globalen Antiwindkraftdiskurses bis hin zum Topos der Kleinheit oder des zdraví rozum. To vše na území malého Česka.
Kulturspezifische Selbst- und Fremdstilisierungen im tschechischen Windkraftdiskurs.
Holger Kuße (Dresden) gab einen Überblick zur Rechtslinguistik im Rahmen der Kulturwissenschaftlichen Linguistik. Am Beispiel von russisch otvetstvennost’ wurden die Zusammenhänge zwischen Rechtssprache und Kulturgeschichte, Kulturaxiologie, Rechtsentwicklung und Rechtsbewusstsein illustriert. Dass der Begriff der Verantwortung im russischen ökonomischen Diskurs erst in neuester Zeit und fast ausschließlich in Kollokationen zu Marketingzwecken verwendet wird, lässt sich u.a. dadurch erklären, dass otvetstvennost’ als Rechtsbegriff auch ‘Haftung’ bedeutet. Roland Meyer (Regensburg) ging korpusbasiert der diachronen Entwicklung des tschechischen expletiven Subjektspronomens on(o) nach, das ursprünglich aus einer demonstrativen Interjektion ano entstanden sein soll. Entgegen dieser lückenhaft belegbaren Sichtweise wurde argumentiert, dass ano sich auf einem etablierten Grammatikalisierungspfad zum Komplementierer und Relativpronomen gewandelt habe, während das kongruierende on vom attributiven Demonstrativum her stamme. Der Beitrag von Dionisi Nikolov (Wien) setzte sich mit der sprachlichen Realisierung von »Werte(n) und Normen in der Unternehmenskommunikation in Russland und Bulgarien unter den Bedingungen der aktuellen Wirtschaftskrise« auseinander. Untersucht wurde, ob im Zeitverlauf inhaltliche und sprachliche Veränderungen festzustellen sind. Die Dynamik der identifizierten Werte und Normen soll im jeweiligen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Kontext analysiert werden. Hagen Pitsch (Göttingen) behandelte in »Infinitive im Bulgarischen?« die sog. Modalpartikel da und skizzierte dazu ein formales Syntax-Semantik-Modell, das Form und Bedeutung klar voneinander trennt und drei Visualisierungen semantischer Operatoren zur Verfügung stellt: (a) funktional (overter Operator = Partikel), (b) lexikalisch (Auxiliar) und (c) morphologisch (Affix). Da wird als overte Realisierung eines Modaloperators analysiert. Verbalkomplexe im Bulgarischen.
Marina Scharlaj (Dresden) stellte die gegenwärtigen Entwicklungen im Diskurs über Sprache(n) in Weißrussland vor. Beispiele aus unterschiedlichen Textsorten zeigten auf, in welcher Form, mit welchen Auswirkungen und v.a. in welcher Bildlichkeit dem prorussischen staatlichen Kurs ein Kontrapunkt durch eine junge weißrussischsprachige »Elite« gesetzt wird. Kampf der Sprachen - Die Sprachsituation und ihre bildliche Konzeptualisierung in Weißrussland.
Gegenstand des Vortrags von Barbara Sonnenhauser (München) war die Konstruktion »direkte Rede + Emotionsverb« im Russischen. Das Zustandekommen der Interpretation als direkte Rede führt sie auf die spezielle Argumentstruktur des Emotionsverbs zurück, d.h. auf die Ausbuchstabierung der mit seinem »Target / subject matter«-Argument verbundenen Evaluationskomponente. Direkte Rede und Emotionsverben im Russischen.
Luka Szucsich (Berlin) diskutierte in seinem Vortrag sog. Antikausativa vom Typ Prozor se razbio (BKS), Dver’ otkrylas’ (Ru) und die Frage, ob für die entsprechenden Verben lexikalisch-semantisch eine Kausationskomponente anzunehmen ist. Anhand unterschiedlicher diagnostischer Mittel wurde diese Frage verneint und eine syntaktische Analyse vorgeschlagen, die auf Merkmalsvererbung und default-Mechanismen beruht. Claudia Woldt (Dresden) untersuchte in ihrem Beitrag »Bewerten in reaktiven Sprachhandlungen: Zur argumentativen Funktion von Evaluativa in tschechischen Parlamentsdebatten« Besonderheiten der Metakommunikation und zeigte auf, wie mittels Bewertungen die Argumentation des Sprechers gestützt und die des politischen Gegners herabgesetzt wird. Die Beobachtungen führen zu einem Katalog von Normen, welche für das politische Sprachhandeln in diesem institutionellen Rahmen gelten und von Sprechern thematisiert und metakommunikativ eingebunden werden. Bewerten in reaktiven Sprachhandlungen:
Zur argumentativen Funktion von Evaluativa in tschechischen Parlamentsdebatten.
Mirjam Zumstein (Regensburg) stellte sich in ihrem Beitrag »Passiv und Antikausativ im Russischen« die Frage, welchen Beschränkungen perfektive Antikausativa vom Typ Dver’ otkrylas’ unterliegen und inwiefern solche Bildungen – ausgehend von Korpus- und Online-Befragungsdaten – als produktiv angesehen werden können. Im zweiten Teil arbeitete sie Anwendungsrestriktionen für zweigliedrige aktionale Passivkonstruktionen vom Typ Dver’ byla otkryta heraus. Zeitschrift für Slawistik 55 (2010) 1, 112–114.
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