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Sie sind hier: Homepage → Treffen → jusla-23 XXIII. JungslavistInnen-Treffen 2014 in DresdenLinguistische Beiträge zur Slavistik: XXIII. JungslavistInnen-Treffen in Dresden, 18.–20. September 2014. Hg. Holger Kuße und Marina Scharlaj. Leipzig: Biblion Media 2016 (Specimina Philologiae Slavicae, 188). 234 Seiten. ISBN: 978-3-86688-590-5 (eBook-ISBN: 978-3-86688-591-2). DOI:10.3726/b11861. InhaltTagungsbericht von Marina ScharlajVom 18. bis 20. September 2014 kam die Gruppe der JungslavistInnen zu ihrem 23. Treffen in Dresden zusammen. Die Tagung, die am Institut für Slavistik an der TU Dresden stattfand, beinhaltete ein breites Spektrum an Beiträgen aus der synchronen und diachronen Linguistik, Semantik und Pragmatik, Kontaktlinguistik und Kleinsprachenforschung. Präsentiert wurden außerdem Arbeitsergebnisse aus den Bereichen der Schriftlinguistik, genderorientierten Sprachwissenschaft sowie kulturwissenschaftlichen Linguistik. Die ausgewählten Aspekte und Problematiken der linguistischen Forschung wurden an zahlreichen Beispielen aus der Ost-, West- und Südslavia illustriert. Petr Biskup (Leipzig) diskutierte in seinem Beitrag Eigenschaften des Futur-Präfixes po-. Er zeigte, dass im Gegensatz zum Russischen und Polnischen das tschechische Futur-Präfix po- eine sehr eingeschränkte Distribution hat und schlug eine Analyse vor, die das Präfix als Präposition po behandelt, die zu reinem Tempusmarker grammatikalisiert wurde. Ausgehend davon legte Biskup dar, wie sich die Futurbedeutung des Futur-Präfixes sowie die sprecherorientierte Bedeutung des po-Imperativs auf die Bedeutung der Präposition zurückführen lassen. Im Mittelpunkt von Elena Gorishnevas (Berlin) Beitrag »Interpretationen der indefiniten Pronomina im Russischen« standen unterschiedliche Stellungsvarianten des russischen Indefinitheitsmarkers odin ‘ein’ bezüglich des Kopfnomens. Es wurde die Hypothese diskutiert, dass die prä- und postnominale Verwendung von odin unterschiedliche Diskursfunktionen erfüllt. Der Gebrauch von odin in der Präposition dient primär der Etablierung salienter Referenten im Diskurs, die im darauffolgenden Kontext anaphorisch wieder aufgegriffen werden. Die Postposition von odin markiert dagegen die Einführung nicht-salienter Referenten, die aus der Sicht des Sprechers eine geringe Relevanz im Diskurs aufweisen. Der Vortrag »Имам, mam, маю, имѣѭ – у меня есть? Zur ›habeo‹-Konstruktion im Russischen« von Alexander Böhnisch (Göttingen) analysierte die russische Konstruktion у меня есть im Lichte paralleler Strukturen in den direkten Nachbarsprachen. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen dabei die innere Struktur der Konstruktionen der verschiedenen Sprachen und deren Vergleich mit dem Russischen sowie die Frage nach der Konstruktion als einer möglicherweise ererbten Struktur. Lidia Mazzitelli (Bremen) nahm ebenfalls eine vergleichende Perspektive ein. Im Beitrag »Strategien zum Ausdruck marginaler possessiven Notionen in den slavischen und baltischen Sprachen« untersuchte sie Konstruktionen, die dem Ausdruck der prädikativen Possession in beiden Sprachgruppen dienen. Sie zeigte auf, dass sowohl in den slavischen als auch in den baltischen Sprachen besondere Konstruktionen verwendet werden, wenn das Possessum eine Krankheit (ich habe die Grippe), eine physische Eigenschaft (ich habe blaue Augen) oder eine Altersangabe (ich bin 30 Jahre alt) ist. Hagen Pitsch (Göttingen) stellte im Vortrag »Ein neuerlicher Blick auf das bulgarische da« eine Analyse zur Semantik und Syntax bulgarischer da-Sätze vor, die einerseits minimalistischen Prinzipien folgt und andererseits auf Haiders (1988) Konzept der Matching Projections beruht. Im Ergebnis wird da als Mod\C-Kopf identifiziert und ist demnach ein primärer Konjunktivmarker mit der rein syntaktischen Sekundärfunktion einer Subjunktion. Holger Kuße (Dresden) entwickelte am Beispiel der russischen koordinierenden Konjunktionen i, a, no und ili eine als partieller Kontextualismus bezeichnete Invarianztheorie der Bedeutung, der zufolge das semantische Potenzial kleiner sprachlicher Einheiten für die Realisierung großer diskursiver Einheiten (zum Beispiel des politischen Diskurstyps) aktiviert wird. In diesem ›Abschiedsvortrag‹ aus dem Kreis der JungslavistInnen stellte er die Semantik der Konjunktionen in konzeptuellen und logischen Formeln dar, die auch eine prinzipielle Binnendifferenzierung der Adversativität im Russischen (der Semantik von a und no) ermöglicht. Während a Mengen kontrastiert, generiert die Semantik von no Folgerungsbeziehungen, in denen die Konjunkte Pro- und Kontraargumente zu einer strittigen Fragestellung darstellen. Disjunktionen mit ili erfordern eine modallogische Darstellung. Die Konjunktion verknüpft Konjunktinhalte als Möglichkeiten. Im politischen Diskurs wird sowohl von Folgerungsbeziehungen als auch von impliziten Möglichkeitsbehauptungen bei Disjunktionen persuasiv Gebrauch gemacht. Mit einem Beitrag über »Die Straßenverkehrsordung, Modularität, Ockhams Rasiermesser und Semantische Rollen (Letzteres damit man merkt, dass es um Linguistik geht)« verabschiedete sich Horst Dippong (Hamburg) aus dem Kreis der JungslavistInnen. In den Mittelpunkt seiner wissenschaftstheoretischen und methodologischen Überlegungen stellte er die Frage, inwieweit manche (scheinbaren) Kategorien sich vollständig aus anderen Kategorien heraus bestimmen lassen. Als vielversprechenden Kandidaten einer in diesem Sinne redundanten Kategorie diskutierte er dabei semantische (thematische, Theta~) Rollen. Roswitha Kersten-Pejanić (Berlin) beschäftigte sich mit den Möglichkeiten der Anwendung antisexistischen Sprachgebrauchs im Vergleich Englisch-Deutsch-Kroatisch. Aufgrund ihrer inhaltlichen Übereinstimmungen lassen sich anhand von EU-Dokumenten und -Veröffentlichungen die unterschiedlichen Umsetzungen, die sowohl auf struktureller als auch auf pragmatischer Ebene zu verorten sind und darüber hinaus spezifische sprachpolitische Konventionen der drei Sprachgemeinschaften verdeutlichen, besonders anschaulich darstellen. Simone Rajilic (Berlin) stellte in ihrem Vortrag zu weiblicher Genderspezifizierung im Serbischen die Ergebnisse einer Wörterbuchanalyse (Matica Srpska, SANU) vor, bei der untersucht wurde, wann weiblich genderspezifizierende Substantive mit Hilfe einer männlich genderspezifizierenden Form definiert werden (z. B. doktorka – zena doktor) bzw. wann eine Definition unabhängig von einer vermeintlich neutralen männlichen Grundform erfolgt (z. B. Srpkinja – pripadnica Srpskog naroda). Die Analyse konnte zeigen, dass Weiblichkeit vor allem bei Berufs- und Funktionsbenennungen sowie Titeln in Abhängigkeit von Männlichkeit definiert wird. In den Bereichen Verwandtschaft, Herkunft/Nation oder Sexualität hingegen wird Weiblichkeit unabhängig von einem vermeintlich männlichen Original konstruiert. Ivana Barkijevic (Graz) setzte sich mit kroatischen Reiseberichten im Internet auseinander. Diskutiert wurde in erster Linie das Nähe/Distanz-Modell von Koch und Oesterreicher, auf das immer wieder bei der Untersuchung der Sprache in den computervermittelten Kommunikationsformen zurückgegriffen wird. Die Analyse ergab, dass die Anwendung des Modells auf kroatische Reiseberichte aus dem Internet sowie auch jene in den Zeitschriftenartikeln seine Problemstellen zeigt. Daniel Bunčić (Köln) beleuchtete in seinem Vortrag »Schrift und Religion im Serbokroatischen« die Vielschriftigkeit im Serbokroatischen vor dem Hintergrund der Multikonfessionalität. Dazu gehört bei den Orthodoxen die heutige kyrillisch-lateinische Zweischriftigkeit, bei den Katholiken ihre historische Heterogenität, bei den Muslimen der Wechsel vom Kyrillischen zum Lateinischen in der Habsburgerzeit und der Status des Arabischen, bei den Juden die traditionelle kyrillisch-lateinische Zweischriftigkeit. Besprochen wurden auch die konfessionellen Varianten der kyrillischen Kursive in Bosnien. Im Vortrag von Elena Bazhutkina (München) »Taraškevica vs. Narkamaŭka: linguistische Daten und Sprechereinstellungen« handelte es sich dagegen um zwei orthographischen Varianten, genauer um das Zusammenwirken zwischen zwei sprachlichen Traditionen in Belarus. An Beispielen wurde belegt, dass die Taraškevica-Elemente in die Narkamaŭka-Texte Eingang finden. In diesem Zusammenhang wurden die Sprechereinstellungen gegenüber der Taraškevica und Narkamaŭka systematisiert und diskutiert. Martin Henzelmann (Dresden) stellte die Frage nach dem Sonderstatus des Oberschlesischen vor dem Hintergrund der slavistischen Mikroliteratursprachenforschung. Seit einigen Jahren lassen sich in Oberschlesien Tendenzen zur Herausbildung einer neuen slavischen Mikroliteratursprache erkennen, die jedoch äußerst kontrovers rezipiert werden. Der Vortrag von Anna-Maria Meyer (Bamberg) beschäftigte sich mit dem kontaktlinguistischen Phänomen Ponglish, d. h. den polnisch-englischen Sprachmischungen der Polonia im englischsprachigen Ausland. Aufgrund der Unterschiede zwischen der britischen und amerikanischen Varietät des Englischen ergeben sich auch Unterschiede zwischen den jeweiligen Ponglish-Varianten, vor allem im Bereich der Phonetik und der Lexik; diese wurden im Vortrag präsentiert. Ihre Untersuchung erfolgte auf der Grundlage des Online-Wörterbuchs ponglish.org, dessen Vor- und Nachteile für die Bearbeitung linguistischer Fragestellungen diskutiert wurden. Aus der Perspektive der Gesprächsanalyse beleuchtete Genia Böhnisch (Göttingen) die Internetkonversation und ihre Interpretation. Sie beschäftigte sich in ihrem Beitrag – anhand eines russischsprachigen Beispiels aus einem Forum – mit der Frage, wie der Leser in einer schriftlichen Konversation zu einer korrekten Interpretation einer Mitteilung kommt, welche Voraussetzungen er dafür benötigt und ob diese Voraussetzungen mit denen für die mündliche Kommunikation übereinstimmen. Marina Scharlaj (Dresden) stellte kreative Protestformen in Russland vor, die einerseits im Internet Verbreitung finden, andererseits auf Straßen in den Städten ausgetragen werden. Ihre Aufmerksamkeit galt den Sprachspielen in solchen Genres wie Demotivator und Monstracija. Sie analysierte die einzelnen Sprechhandlungen unter dem Aspekt der Poezität und betrachtete die parodistischen Formen der Plakatkunst und der Demonstration als Teil einer Lachkultur, deren Sichtbarkeit seit der Verbreitung des Internet gestiegen ist. Dabei wurde deutlich, dass das Lachen eine katarsische Wirkung hat und u. a. als Mittel eingesetzt wird, um oppositionelle oder gesellschaftskritische Inhalte zu transportieren. Marina Scharlaj: 23. JungslavistInnen-Treffen vom 18. bis 20. September 2014 am Institut für Slavistik der TU Dresden.
Zeitschrift für Slawistik 60 (2015) 1, 136–139.
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