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Sie sind hier: Homepage → Treffen → jusla-27 XXVII. JungslavistInnen-Treffen 2018 in Heidelbergvom 12. bis 14. September 2018 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Gehaltene Vorträge
Tagungsbericht von Katrin SchlundVom 12. bis 14. September 2018 fand das jährliche Treffen der JungslavistInnen erstmalig in Heidelberg statt. Vierzehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellten Forschungsergebnisse aus verschiedenen Bereichen der slavistischen Sprachwissenschaft vor. Nicolas Jansens (Heidelberg) und Helena Meyer (Gießen) wurden neu in den Kreis der JungslavistInnen aufgenommen. In ihrem Vortrag »Man-Konstruktionen in den slavischen Sprachen« behandelte Anastasia Bauer (Köln) unpersönliche Konstruktionen mit unbestimmt-menschlichen Referenten, die in der Russistik als ›unbestimmt-persönliche‹ und ›verallgemeinert-persönliche‹ Sätze oder Konstruktionen bekannt sind. Anhand einer Korpusstudie untersuchte sie die Distribution der Konstruktionen und die Unterschiede zwischen den slavischen Sprachen. Petr Biskup (Leipzig) gab einen Überblick über die Übersetzungs- und Interpretationsmöglichkeiten von Fragewörtern in slavischen Koordinationskonstruktionen. Dabei wurde deutlich, dass Fragewörter im Englischen andere Interpretationsmöglichkeiten haben können als im Slavischen. Die Bedeutung der Fragewörter entsteht aus dem Zusammenspiel semantischer, morphosyntaktischer und pragmatischer Faktoren. Alexander Böhnisch (Göttingen) untersuchte die sprachliche Landschaft des europäischen Teils Russlands von der erstmaligen Ankunft der Ostslaven bis zum Vorabend des Mongolensturms im Jahre 1237. Vor dem Hintergrund der heutigen Sprachsituation sowie anhand von Angaben aus Chroniken und Ergebnissen der Toponymie- und Lehnwortforschung wurden Hypothesen über die wahrscheinliche historische Situation formuliert. Im Vortrag »Literarische Übersetzung zwischen Treue und Egozentrismus« beschäftigte sich Dagmar Heeg (Salzburg) mit der Rolle des Übersetzers bei der Genauigkeit von Übersetzungen. Auf der Grundlage eines Korpus sprachlicher Fehler in Übersetzungen wurden semantische, stilistische und syntaktische Abweichungen von den Originaltexten klassifiziert und Verbesserungsmöglichkeiten diskutiert. Martin Henzelmann (Hamburg) besprach Möglichkeiten und Grenzen der konzeptionellen Aufbereitung slavischer Mikroliteratursprachen. Dabei ging es vor allem um die Frage, wie ein in der Forschungstradition nach A. D. Duličenko postulierter organisierter Sprachausbauprozess bei der Klassifizierung einer Mikroliteratursprache im Sinne einer authentischen Standardisierung weiterentwickelt werden kann. Im Vortrag »Probleme der Graphematik« schlug Nicolas Jansens (Heidelberg) eine Typologie des Graphembegriffs vor, bei der die Bestimmung von Graphemen nach der Art der linguistischen Analyse (graphisch, relational oder autonom) und nach der Art der segmentalen Analyse (individuell oder kombinatorisch) erfolgt. Dabei wurde auch zwischen dem Graphem (als abstrakter, kontrastiver Einheit des Schriftsystems), dem ihm untergeordneten Graphen (als symbolischer, noch abstrakter Grundform) und dem Schriftzeichen (als einzelner materieller Erscheinungsform eines Graphen) differenziert. Roswitha Kersten-Pejanić (Rijeka) stellte die Arbeit rund um ihr neues DFG-Projekt „Linguistic Landscapes at the margins: Performativity of ethnic belonging and memory politics in Croatian post-conflict border regions“ vor. Sie untersucht die anhaltenden sprachlichen Zeichen ethnischer und nationalistischer Spannungen im öffentlichen Raum in zwei ländlichen, durch den Krieg der 1990er Jahre stark geprägten Grenzregionen Kroatiens entlang der Flüsse Donau und Una. Irenäus Kulik (Göttingen) referierte über „Erklärungsansätze in der historischen Sprachwissenschaft“ und zeigte einige Schwächen klassischer Ansätze auf (z. B. in Strukturalismus, Generativismus und Sprachökonomie). Mit Hilfe eines Alternativmodells von Lautwandel als Perzeptionsfehler führte er den Zusammenfall der altpolnischen Nasalvokale auf akustisch-phonetische Ursachen zurück. Ziel des Beitrags von Joanna Leszkowicz (Berlin) war es, das Phänomen diskontinuierlicher Phrasen im Russischen und Polnischen kontrastiv zu untersuchen. Anhand einer experimentellen Analyse wurden die typischen Eigenschaften und Beschränkungen diskontinuierlicher Konstruktionen sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Sprachen herausgearbeitet. Lidia Federica Mazzitelli (Köln) behandelte drei verschiedene Themen aus ihrer aktuellen und künftigen Forschung. Zunächst präsentierte sie ausgewählte Valenzstrukturen der austronesischen Sprache Lakurumau (Papua Neuguinea) und verglich diese mit den slavischen Äquivalenten. Künftige Projekte beschäftigen sich mit den sprachlichen Ausdrücken für die semantische Domäne des Betens und mit der Terminologie für Stiefverwandte in slavischen und anderen Sprachen. Anna-Maria Meyer (Köln) stellte einige terminologische und methodische Überlegungen zum Phänomen ›Schriftakzent‹ bzw. graphetischer Akzent an. Der Ausdruck ›Schriftakzent‹ bezieht sich auf die Beobachtung, dass ›kyrillisch Sozialisierte‹ lateinische Buchstaben handschriftlich anders schreiben als ›lateinisch Sozialisierte‹ (und umgekehrt). Ferner wurde thematisiert, ob und wie sich ein graphetischer Akzent im Laufe der Zeit verändern kann und welche Parallelen und Unterschiede zwischen Schriftakzent und dem Akzent in gesprochener Sprache bestehen. Im Vortrag von Helena Meyer (Gießen) ging es um die diskursive Verwendung der Begriffe ›fašist‹ und ›fašistskij‹ im Pressediskurs der Russischen Föderation während des Euromaidans 2013/2014 in der Ukraine. Die quantitative Auswertung eines Textkorpus mit Unterstützung des korpuslinguistischen Programms AntConc ergab, dass die Nominationseinheit ›fašist‹ zur Abgrenzung des russischen Selbstbildes von Teilen des ukrainischen Fremdbildes sowie zur Feindbildkonstruktion verwendet wird. Dabei wurden sowohl Strategien aus dem sowjetischen Newspeak als auch neue Muster identifiziert. Alisa Müller (Bamberg) beschäftigte sich mit der Beschreibung der Linguistic Landscape (LL), also Schrift im öffentlichen Raum, am Beispiel der belarussischen Hauptstadt Minsk. Sie stellte einen textlinguistisch inspirierten Ansatz über die Identifikation von Prototypen in der LL vor, der auch die Definition einer Analyseeinheit in der LL ermöglicht. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten der Analyse der Sprachverteilung von Belarussisch und Russisch in einzelnen funktionalen Kategorien. Anhand einer vergleichenden Korpusstudie konnte Katrin Schlund (Heidelberg) bisherige Annahmen über die Verbreitung von transitiven Impersonalen in slavischen und ausgewählten nicht-slavischen Sprachen überprüfen und präzisieren. Als mögliche Erklärungen für die Ausbreitung der Konstruktion wurden areallinguistische und systemische Faktoren diskutiert. Der Vortrag von Teodora Radeva-Bork (Potsdam) »Warum Psycholinguistik im Slavischen?« diskutierte aktuelle Forschungsergebnisse aus der slavischen Psycholinguistik und deren Bedeutung für die allgemeine Sprachwissenschaft. Der Fokus lag auf 1) spezifisch slavischen Phänomenen, die zu aktuellen Debatten in der allgemeinen (Psycho)linguisk beitragen, z. B. Relative Clause Attachment-Ambiguitäten oder Kongruenzfehler (Agreement Attraction Errors), und 2) der empirischen Überprüfung allgemeiner Theorien, u. a. A-chains, Unique Checking Constraints sowie der lexikalischen vs. grammatischen Zuordnung von Kategorien. Ivana Lederer (Gießen/Bamberg) widmete ihren Vortrag »Sind wir u gradu Bambergu oder u gradu Bamberg? – Apposition im Kroatischen« dem Phänomen der Inkongruenz bei der traditionell verstandenen Apposition, das nicht nur im Kroatischen, sondern auch im Polnischen zu beobachten ist und sich in Online-Korpora nachweisen lässt. Katrin Schlund: Tagungsbericht zum 27. JungslavistInnen-Treffen: Slavisches Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 12.–14. September 2018.
Zeitschrift für Slawistik 64 (2019) 2, 308–310.
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