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Sie sind hier: Homepage → Treffen → jusla-24 XXIV. JungslavistInnen-Treffen 2015 in Kölnvom 17. bis 19. September 2015 am Slavischen Institut der Universität zu Köln Gehaltene VorträgeTagungsbericht von Daniel Bunčić und Anastasia BauerDas 24. JungslavistInnen-Treffen fand in den Räumen des Slavischen Instituts der Universität zu Köln statt. Nach dem traditionellen »Ausflugstag« am 17. September mit Stadtführung, Domturmbesteigung, Brauhausbesuch und Warm-up wurden am 18. und 19. September in 14 ausführlichen Vorträgen aktuelle slavistische Arbeiten zur Syntax, Semantik, Psycho-, Sozio-, Gender-, Kontakt- und kulturwissenschaftlichen Linguistik vorgestellt. Der Vortrag »Herkuftssprecher und ihre Textkompetenz« von Ivana Barkijević (Graz) präsentierte die Umsetzung des gezielt für den Herkunftssprecher entwickelten Textkompetenz-Unterrichtskonzepts im Rahmen des gleichnamigen Kurses für B/K/S am Institut für Translationswissenschaft der Karl-Franzens-Universität in Graz und das daraus resultierende Modell des Herkunftssprechers. Anastasia Bauer (Köln) hielt einen Vortrag mit dem Titel »Bimodaler Bilingualismus innerhalb der russischen Gehörlosengemeinschaft: Sprachkontakt zwischen dem Russischen und der Russischen Gebärdensprache«. Sie stellte das Korpus der Russischen Gebärdensprache (RSL) vor und diskutierte die möglichen Sprachkontaktphänomene in der Gebärdensprache. Die sog. Mundbilder (lautlose Artikulationen eines Wortes) wurden im Vortrag näher betrachtet. Die Verwendung, Funktion und Variation von Mundbildern im Korpus der Russischen Gebärdensprache wurden beleuchtet. Der Vortrag von Alexander Böhnisch (Göttingen) »Zur Frage potentieller turkisch-russischer Sprachkontakte« befasste sich mit der Frage, ob eine Reihe struktureller Besonderheiten des Russischen (z. B. die Konstruktion u menja est’) auf ein potentielles turksprachliches Substrat zurückführbar sind. Hierzu wurde eine Liste mit Erscheinungen untersucht, die das Russische in ihrer Gesamtheit gegenüber den anderen Slavinen abgrenzt. Auch auf die Frage der räumlichen und zeitlichen Verortung wurde im Vortrag eingegangen. Genia Böhnisch (Göttingen) untersuchte unter dem Titel »Zur Analyse von Internetkonversationen« die Frage, inwieweit die Struktur und Organisation schriftlich realisierter Gespräche in Internetforen denen einer mündlichen Konversation ähneln. Als Grundlage hierfür dienten jeweils ein russisch- und ein deutschsprachiges Beispiel, die zunächst analysiert und dann verglichen wurden. In seinem Vortrag »Zum Agens in der polnischen -no/-to-Konstruktion« redete Daniel Bunčić (Köln) über unpersönliche Konstruktionen, die in der Slavistik bisher etwas unglücklich »unbestimmt-persönlich« genannt wurden. Während bisher die Meinung herrschte, dass diese einzig dadurch beschränkt seien, dass das implizite Subjekt menschlich sein müsse, zeigte er anhand einer Korpus- und einer Akzeptabilitätsstudie, dass sie auch bei menschlichem Subjekt umso akzeptabler und frequenter seien, je mehr Agentivitätsmerkmale das Verb voraussetzt, so dass sich z. B. pracowano ‘man arbeitete’ als besser erwies als obawiano się ‘man bangte’ und dieses als besser denn cuchnięto ‘man müffelte’. Christina Clasmeier (Bochum) stellte in ihrem Vortrag »Schalter, šapka, šaška – Eine Eye-Tracking-Studie zur Koaktivierung im mentalen Lexikon russisch-deutscher Bilingualer« ein Projekt vor, das zwei verschiedene Gruppen bilingualer Sprecher/innen, nämlich Angehörige der ersten und der zweiten Migrantengeneration, vergleicht: Mit Hilfe der Eye-Tracking-Technik und dem »visual world paradigm« wird untersucht, ob bei der auditiven Worterkennung auch Wörter der jeweils anderen Sprache koaktiviert werden und ob sich diese Koaktivierungsmuster zwischen den beiden bilingualen Gruppen unterscheiden. Im Beitrag von Martin Henzelmann (Dresden) ging es um die Möglichkeiten und Einschränkungen serbischer Nominalphrasen vor dem Hintergrund einer Konstruktionsgrammatik. Er betrachtete Beispiele aus der ökologischen Terminologie und reflektierte sie im Zusammenhang mit älteren Ansätzen aus der angloamerikanischen Wissenschaftstradition (besonders in Anlehnung an die Arbeiten von George Lakoff) sowie mit aktuellen Tendenzen (etwa nach Hans C. Boas und Alexander Ziem). Anhand des Materials wurden semantische Repräsentationen nominaler Konstruktionen im Hinblick auf ihre illokutive Kraft und ihre Kombinationsmöglichkeiten näher betrachtet. Roswitha Kersten-Pejanić (Berlin) stellte in ihrem Vortrag »Sprachideologie und linguistisch manifestierte Genderkonzeptualisierungen in Kroatien« ihre Untersuchungen zum Zusammenhang von Ideologie und Sprache im Rahmen von Genderkonzeptualisierungen in kroatischen Grammatiken und anderen linguistischen Regelwerken vor. Mit der theoretischen Einbettung in die internationale language ideology-Forschung können die in grammatischen Regelwerken reproduzierten Vorstellungen zu Gender und Genus und ihre Manifestierung in Personenbenennungen kritisch analysiert und in zeitgenössischen dominanten gesellschaftlichen Diskursen verortet werden. Lidia Mazzitelli (Köln) beschäftigte sich in ihrem Vortrag »Infinitival relative clauses in Belarusian and Lithuanian« mit der Semantik von Infinitivsätzen, die von einem freien Relativpronomen eingeführt werden und die eine modale/possessive Bedeutung haben (z. B. Belarussisch mne njama čaho pic’ ‘ich habe nichts zu trinken’). Sie konzentrierte sich vor allem auf die Alternanz zwischen Dativsätzen und haben-Sätzen (z. B. Belarussisch mne njama čaho pic’ / ne maju čaho pic’ ‘ich habe nichts zu trinken’) und erklärte die semantischen Unterschiede zwischen den beiden. Anastasia Meermann (München) diskutierte in ihrem Vortrag »Hilfsverbvariation im serbischen Perfekt, woher kommst du, wohin gehst du?« die Ursachen und Wirkungen der Auslassung des Hilfsverbs in den serbischen Perfektformen. Diese sei zunächst als eine Folgeerscheinung des Wandels des Perfekts zum Präteritum zu werten, wie sie aus dem Nordslavischen bekannt ist. Gleichzeitig erfahre die Auslassung des Auxiliars eine diskurspragmatische Neuinterpretation als Signal der Distanzierung der Sprecherin vom Gesagten. Eine ähnliche Funktionalisierung des Hilfsverbausfalls liege wiederum dem sogenannten »Renarrativ« im Bulgarischen zugrunde. Anna-Maria Meyer (Bamberg) erläuterte unter dem Titel »Zur sprachenpolitischen und kontaktlinguistischen Situation des Romani in Russland« die vielfältigen Einflüsse des Russischen auf die zahlreichen Romani-Dialekte in Russland, v. a. auf den nordrussischen Dialekt der russka roma. Sie analysierte die verschiedenen Ebenen und Auswirkungen des Sprachkontakts und präsentierte diesen auch vor dem Hintergrund der rechtlichen Situation von Minderheitensprachen in der Russischen Föderation. Im Vortrag »Skandalöser Diskurs zu FEMENs Protestaktionen: ein Blick auf die ukrainische Kultur« von Marianna Novosolova (Dresden) wurde die ›skandalöse‹ Tätigkeit der ukrainischen Frauenorganisation Femen als thematischer Diskurs dargestellt, dessen Narrationsfragmente die einzelnen Protestaktionen sind, die von Femen in den Jahren 2008–2013 in der Ukraine durchgeführt wurden. Im Fokus der Analyse standen pragmatische Aspekte wie die Angemessenheit der perlokutionären Intentionen des Skandalaktanten, die gebrauchten persuasiven Mittel und die perlokutionären Effekte der Aktionen. Aus semantischer Perspektive wurde die Frage gestellt, ob und wie der skandalöse Kontext den Inhalt von staatlichen, nationalen und christlichen Symbolen, die zum Gegenstand der Aktionen werden, beeinflussen und verändern kann. In ihrem Vortrag »Im Windschatten der Krise. Der Ukraine-Diskurs in Belarus« untersuchte Marina Scharlaj (Dresden) die Argumentationsstrategien in den neusten Reden von Aljaksandr Lukašėnka. Es wurde aufgezeigt, wie der belarussische Präsident den russisch-ukrainischen Konflikt instrumentalisiert, um sich eine breite Legitimität zu sichern. Mit Verweis auf die instabile Lage in beiden Nachbarländern erhoffe sich Lukašėnka die Zustimmung für seine Politik und argumentiere mit der Stabilität der politischen Ordnung im eigenen Land. Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen 2015 seien somit – so die These des Vortrags – vorhersehbar. Katrin Schlund (Heidelberg) untersuchte in ihrem Vortrag »Die Struktur von Experiencern und andere empirische Befunde zu russischen Elementarkonstruktionen« die formale Struktur von Experiencern in russischen Konstruktionen des Typs uraganom sorvalo krovlju. Obwohl Dativexperiencer die Regel sind, wird mitunter auch ein präpositionaler Genitiv mit u verwendet. Die Analyse empirischer Beispiele und die Ergebnisse einer Pilotumfrage weisen darauf hin, dass die Struktur von Experiencern nicht allein anhand bereits bekannter Mechanismen erklärt werden kann, sondern die Konstruktion als Ganzes Einfluss auf die Kasuswahl hat. Die Beiträge sollen wie in den letzten Jahren wieder in einem Sammelband in der Reihe Specimina Philologiae Slavicae erscheinen. Als Orte der folgenden Treffen wurden Göttingen (2016) und Bamberg (2017) festgelegt. Weitere Informationen über die JungslavistInnen sind unter jungslavisten.de zu finden. |